Der Reichtum der Epochen und Gattungen und die wechselvolle Geschichte des Hauses bieten vielfältige Möglichkeiten für Forschungsprojekte. Regelmäßig werden Sammlungskonvolute, darunter auch Nachlässe von Künstler:innen, kunsthistorisch aufgearbeitet und einzelne Aspekte der Museums- und Sammlungsgeschichte neu beleuchtet.
Im Rahmen eines Erstchecks des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste konnte der Bestand an sogenannten ethnografischen Objekten außereuropäischer Herkunft der Kunstmuseen Krefeld erforscht werden. Von Oktober 2022 bis März 2023 hat die Ethnologin und Historikerin Gesa Grimme das Konvolut von rund 115 Objekten aus Afrika, Süd- und Ostasien sowie aus Ozeanien untersucht. Sie konnte Vorprovenienzen bis zu Einlieferer:innen und Händler:innen klären. Soweit möglich erfolgte bei den zuvor fast vollständig unerforschten Kulturgütern eine erste geografische und kulturelle Einordnung zu ihrer Herkunft. Zugleich wurde auch eine Verortung in der deutschen wie auch europäischen Kolonialgeschichte vorgenommen. Der Verdacht auf eine Aneignung in kolonialen Machtverhältnissen hat sich bei den meisten der Objekte bestätigt. Aufgrund der unzureichenden Archivlage konnten stringente Provenienzketten bis hin zu Herkunftsgesellschaften nicht aufgedeckt werden. Sensibles Sammlungsgut wurde benannt. Die Objekte wurden schließlich mit Blick auf ihren kolonialen Kontext in der Institutsgeschichte verortet.
Die Sammlungen der Kunstmuseen Krefeld umfassen ca. 24.000 Objekte, darunter auch einen kleinen Bestand an sogenannten ethnografischen Objekten außereuropäischer Herkunft, der zwischen 1891 und 1930 im Kontext des europäischen Kolonialismus und der deutschen Kolonialgeschichte ihren Weg nach Krefeld fanden. Insgesamt handelt es um ca. 115 Objekte, die mehrheitlich aus Afrika, Süd- und Ostasien sowie Ozeanien stammen.
Das Kaiser Wilhelm Museum verfolgte zu dieser Zeit ein Sammlungs- und Ausstellungsprogramm, das volkstümlicher Kunst einen besonderen Stellenwert zuschrieb. „Volkskunst“, zu der auch kulturelle Erzeugnisse afrikanischer, asiatischer und ozeanischer Gesellschaften gezählt wurden, sollte der lokalen Kunst- und Designproduktion als Quelle der Inspiration und als Vorbild dienen. So fand im Kaiser Wilhelm Museum, das 1897 als Museum für Kunst und angewandte Kunst eröffnet wurde, eine Umwandlung von Objekten mit kolonialen Kontexten in Museums- und Kunstobjekten statt.
Beispielweise wurden Textilien anlässlich der „Niederländisch-Indischen Kunst-Ausstellung“ im Jahr 1906 und Ritualobjekte aus der Region des heutigen Papua-Neuguineas für die Ausstellung „Farbe“, die 1928 gezeigt wurde, erworben. Den weitaus größten Teil des ethnografischen Objektbestands bildet ein Konvolut von 53 Flechtarbeiten. Sie gelangten durch die Übernahme des Kernbestands des „Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe“ im Jahr 1923 (aus dem Nachlass Karl Ernst Osthaus) in die Sammlung des Kaiser Wilhelm Museums. Darüber hinaus finden sich in dem Bestand eine Anzahl von 25 Waffen sowie von japanischen Körben und einigen Einzelobjekten.
Die Objekte kommen aus verschiedenen europäischen Kolonialgebieten. Ihre geografische und kulturelle Herkunft lässt sich unter anderem in den heutigen Staatsgebieten von Ägypten, Nigeria, Kamerun, Togo, der Demokratischen Republik Kongo, China, Japan, Papua-Neuguinea, Indonesien, den Marshallinseln und Samoa verorten. Sie wurden über Kunst- und Ethnographica-Handlungen wie J.F.G. Umlauff, Bruno Antelmann (Deutsches Kolonialhaus), Rex & Co. oder „Kunst- und Verlagshandlung R[udolph]. Wagner, Berlin“ bezogen. Eine Provenienzkette bis hin zu Herkunftsgesellschaften konnte bisher nicht ermittelt werden.
Im Jahr 1923 gelangte ein bedeutender Bestand der angewandten Kunst an das Kaiser Wilhelm Museum: Das „Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ (DM). Bei dem umfangreichen Konvolut handelt es sich um eine Mustersammlung für vorbildliche Gestaltung, die das breite Publikum zu gutem Geschmack erziehen und gleichzeitig im Sinne des Gesamtkunstwerkes sicherstellen sollte, dass die proklamierte neue Ästhetik Einzug in den Alltag hielt. Der bedeutende Hagener Mäzen und Sammler Karl Ernst Osthaus hatte zwischen 1909 und 1919 die Sammlung mit finanzieller und ideeller Unterstützung des Deutschen Werkbundes zusammengetragen. Neben seinem 1902 gegründeten Museum Folkwang spiegelte das neue Projekt noch innovativer und radikaler den Geist einer neuen Zeit. 1923, nach Osthaus’ Tod, erfolgte der Ankauf durch den Krefelder Museumsverein und wurde 1928 als Schenkung an die Stadt übergeben. In den Augen des damaligen Direktors und engen Freundes von Osthaus, Max Creutz, ergänzte es perfekt das im Geist der Reformbewegung entstandene innovative Museumskonzept des Kaiser Wilhelm Museums.
Das 100-jährige Jubiläum des Erwerbs ist Anlass, eine vollständige Bestandsaufnahme der Sammlung des Deutschen Museums durchzuführen und sich erneut wissenschaftlich und aus aktueller Perspektive mit dem Bestand auseinanderzusetzen. Das Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe ist mit seinem mehrere tausend Arbeiten umfassenden Bestand die vielleicht erste Sammlung zeitgenössischen Designs überhaupt. Bis heute bildet sie den Kern der Museumssammlung im Bereich der angewandten Kunst.
Der in der Nachkriegszeit in Vergessenheit geratene Bestand wurde in den 1980er und 1990er Jahren bereits für die Ausstellungsprojekte Der westdeutsche Impuls sowie Das Schöne und der Alltag in Teilen bearbeitet und publiziert. Erstmals wird das Konvolut nun als Ganzes einheitlich inventarisiert, restauriert, fotografiert und digitalisiert. Bei den bislang nicht erfassten Werken handelt es sich vor allem um den großen Bestand der sogenannten Akzidenzdrucke, die mit Werbeanzeigen, Geschäftspapieren, Visiten- und Speisekarten, Schriftmusterbüchern, Einladungen, Postkarten etc. ein kulturgeschichtliches Panorama bilden.
Im Zuge der Erfassung wird der fragile Bestand der Papierarbeiten nicht nur restauriert und somit für die Zukunft konserviert, sondern auch in digitalisierter Form archiviert. Die Digitalisate ermöglichen, die Erkenntnisse nachhaltig für die Forschung zu sichern und stehen für zukünftige Fragestellungen zur Verfügung. Für moderne Wissensvermittlung im digitalen Zeitalter können sie ebenso genutzt werden.
Die Erfassung ermöglicht es ebenso, einen Überblick über sämtliche künstlerischen Persönlichkeiten zu gewinnen, die Osthaus in sein Deutsches Museum integrierte. So lassen sich neben berühmten Namen wie Peter Behrens, Henry van de Velde, Lucian Bernhard, Fritz H. Ehmcke oder Richard Riemerschmid auch fast in Vergessenheit geratene Künstler*innen nennen, die anhand des Bestandes als wichtige Protagonist*innen der Moderne identifiziert werden können. So sind etwa, um erste Beispiele zu nennen, Johannes Weidenmüller als Urahn der deutschen Werbewissenschaft, die Berlepsch-Schülerin Maria La Roche oder Elisabeth Stephani-Hahn als Pionierin der Schaufenstergestaltung dabei. Sie und ihre Mitstreiter*innen schufen die Grundlagen der bis heute gültigen Vorstellungen von Konsumkultur, Werbung und Marketing. Die für November 2023 geplante Ausstellung und der dazu erscheinende Katalog werden die Forschungsergebnisse nutzen, um das Deutsche Museum mit seinen innovativen Impulsen für eine zeitgenössische Sammlungs-, Museums- und Vermittlungstätigkeit zu beleuchten.
Dr. Katja Terlau
Dr. Vanessa-Maria Voigt
Die Stadt Krefeld besitzt vier Gemälde des niederländischen Künstlers Piet Mondrian (1872–1944) mit den Bezeichnungen „Tableau No. VII“, „Tableau No. X“, „Tableau No. XI“ (alle 1925) und „Komposition IV“ (1926). Sie gehören zur Sammlung der Kunstmuseen Krefeld. Nachfahren des Mondrian-Erben Harry Holtzman haben die Herausgabe der Kunstwerke gefordert.
Um zu klären, ob diese Forderung rechtlich begründet ist, hat die Stadt Krefeld die beiden Provenienzforscherinnen Dr. Katja Terlau und Dr. Vanessa-Maria Voigt damit beauftragt, die Herkunft der Bilder zu prüfen.
Zwischen Juni 2018 und Mai 2019 haben die Wissenschaftlerinnen im In- und Ausland die Spur der Gemälde seit den 1920er-Jahren nachverfolgt, Archivmaterial ausgewertet und mit Experten gesprochen. Dabei sind sie auf keine Hinweise gestoßen, die darauf deuten, dass sich die Werke rechtswidrig im Besitz der Stadt Krefeld befinden könnten.
Die Zusammenfassung des Dossiers der Wissenschaftlerinnen erläutert die Erkenntnisse im Einzelnen.