Mit mehr mies. krefelder architekturtage richten die Kunstmuseen Krefeld neben den wechselnden Ausstellungen zur Kunst nach 1945 den Fokus auf die historische und aktuelle Bedeutung des großen Architekten der Klassischen Moderne. Zwei bis drei Mal im Jahr wird das Themenspektrum rund um die Häuser Lange und Esters im Rahmen von Führungen, Gesprächen, Worksshops für Kinder und Erwachsene, Vorträgen etc. ausgebreitet. Für die Dauer von drei Tagen werden die Villen jeweils zu einem Forum rund um die Architektur Ludwig Mies van der Rohes.
Ludwig Mies van der Rohe (1886 Aachen - Chicago 1969) zählt zu den herausragenden Architekten und Designer des 20. Jahrhunderts. In den 1920er Jahren hat er die architektonische Sprache des Neuen Bauens in Deutschland wesentlich geprägt. Nach seiner Emigration 1938 in die Vereinigten Staaten, wo er das heutige Illinois Institute of Technology in Chicago leitete, avancierte er rasch zum Stararchitekten. Funktionalität, Klarheit in der Formgebung - auch im Bereich der Möbelgestaltung - und eine intensive Materialbefragung führten ihn immer wieder zu innovativen Lösungen: Das Konzept der offenen Raumkomposition, die Vorhangfassade aus Metall, die Modulbauweise und die Bezugnahme von Bauwerk und Umfeld, von Architektur, Natur und Stadtraum sind solche bedeutenden Ansätze. „Der lange Weg vom Material über die Funktion zur schöpferischen Arbeit hat nur ein einziges Ziel: in der entsetzlichen Verwirrung unserer Zeit Ordnung zu schaffen.“ (Mies van der Rohe)
Mit Krefeld verband Mies van der Rohe eine intensive Beziehung. Hermann Lange (1874-1942), Textilfabrikant und begeisterter Sammler zeitgenössischer Kunst, beauftragte den aufstrebenden Architekten 1927 mit dem Bau seines Privathauses. Er schuf damit den Ausgangspunkt für ein bis 1938 wachsendes Geflecht an realisierten und projektierten Gebäuden von Mies in Krefeld: So entwarf Mies van der Rohe parallel zum Haus Lange das benachbarte Haus Esters und 1930/31 das Färbereigebäude für die Verseidag. Die Ausführung der Hauptverwaltung der Verseidag (Entwurf 1937/38) wurde durch den Ausbruch des Kriegs vereitelt; unrealisiert blieben auch die Pläne für einen Golfclub in Krefeld Traar (1930) und für ein Privathaus (1935), das Hermann Langes Sohn Ulrich in Auftrag gab. Ob Haus Heusgen am Hülserberg auf eine Planung von Mies zurückgeht, konnte in der Forschung bislang nicht eindeutig geklärt werden.
Die Häuser Lange und Esters strecken sich als flache Baukörper, bestehend aus verschachtelten Kuben und dominanten Fensterreihen, in das Gelände. Eine aufwendige Stahlkonstruktion trägt die Häuser in ihrem Inneren, wodurch Backsteinwände und Terrassen auch nach kompositorischen Gesichtspunkten gesetzt werden konnten. Die großformatigen Fenster und die verschiedenen Terrassenflächen, die nach Süden ausgreifen, begründen den kontinuierlichen Dialog zwischen Innen- und Außenraum, zwischen Gebäude und Garten, dessen Anlage und Bepflanzung ebenfalls auf Entwürfe von Mies zurückgeht.
Die Ausstattung der Häuser lag in vielen Details auch in den Händen von Mies van der Rohe. Er arbeitete hier mit seiner damaligen Partnerin, der Innenarchitektin und Designerin, Lilly Reich (1885-1947) zusammen. Beide hatten bereits 1927 im Auftrag des Vereins deutscher Seidenwebereien mit Sitz in Krefeld die Einrichtung des Cafés Samt und Seide auf der Berliner Messe Die Mode der Dame realisiert. Nun richteten sie die Häuser Lange und Esters mit Deckenlampen, Tischen, Stühlen, Wandvitrinen, Einbauschränken, Lichtschaltern u.a. funktionalen Gebrauchsgegenständen ein. Ihr umfassender Möblierungsplan wurde jedoch von den Familien nur teilweise übernommen.
Bereits 1923/24 hatte Mies ein Landhaus in Backstein konzipiert. Im Vergleich mit diesem visionären Entwurf, der sich gänzlich aus einzelnen, unverbundenen Wänden zusammenfügt, beziehen die Häuser Lange und Esters eher eine Vermittlerposition zwischen Tradition und Moderne. Eine offene Raumführung ist insbesondere in Haus Esters erahnbar, doch bleibt es bei einer geschachtelten Konstruktion mit geschlossenen Räumen - eine Einteilung, die den Bedürfnissen der Bauherren entgegenkam. Parallel zu den Krefelder Häusern realisierte Mies 1928/29 zur Weltausstellung in Barcelona den heute legendären deutschen Pavillon, der ein Musterbeispiel für den offenen Grundriss bildet und dessen Wände aus Onyx, Marmor und Glas das freie Spiel mit unterschiedlichen Materialien in idealer Weise demonstriert.
Seit 1955 sind im Haus Lange und seit 1981 auch im Haus Esters international beachtete Ausstellungen zeitgenössischer Kunst zu sehen. Mies hatte beide Orte als ‚Museumshäuser' für die Krefelder Privatsammler angelegt - eine architektonische Herausforderung, die ihn mehrfach beschäftigte. Messearchitekturen, Häuser als Präsentationsforen für Kunst und schließlich Konzeptionen für Museumsbauten (z.B. Neue Nationalgalerie, Berlin) bilden eine Konstante im Werk von Mies van der Rohe. In Krefeld haben sich bildende Künstler unmittelbar mit der besonderen Architektur auseinandergesetzt und mit ortsbezogenen Installationen reagiert: Haus-Rucker-Co überspannten 1971 Haus Lange für ihre Ausstellung Cover mit einer Traglufthalle; John Baldessari verwandelte Haus Lange 2009 in einen hermetisch geschlossenen Backsteinkubus, der dem architektonischen Konzept der Raumöffnung ins Gegenteil verkehrt.
Bitte beachten Sie die Sonderöffnungszeiten zu den Krefelder Architekturtagen.
Das Programm wird überwiegend in deutscher Sprache durchgeführt.
Es gelten die üblichen Eintrittspreise.